Die zehn Gebote der Agilität Teil 5/10

Interpreneur, Zehn Gebote der Agilität 18. Mai 2018 - Das Schack

Das 5. Gebot der Agilität: Arbeitnehmer werden zu Intrapreneuren

Im Spannungsfeld zwischen Crowdwork, unternehmens- und branchenübergreifenden Kooperationen, künstlicher Intelligenz, Roboterisierung, Big Data und Blockchain wird die Rolle des Arbeitnehmers neu definiert. Das Normalarbeitsverhältnis wird zum musealen Sammlerstück und Arbeitnehmer werden zu Intrapreneuren. Das obige SchIcon: Intrapreneur symbolisiert die verschiedenen Facetten der neue Rolle. Folgende Icons aus dem Icossar sind für diesen Blogbeitrag relevant (www.digitalearbeitswelt.de):

//Provider: Mitarbeiter//

Der Provider Mitarbeiter verdeutlicht die Bedeutung von Mitarbeitern und Führungskräften für die Agilität. Die Entwicklung einer erfahrenen, motivierten, innovativen Mitarbeiterschaft ist der entscheidende Erfolgsfaktor der Agilita?t. Ein Zitat von Zobel[1] verdeutlicht dies.

 

Mitarbeiter agiler Unternehmen sind (daher) informiert, sachkundig, qualifiziert, entscheidungsbefugt sowie flexibel und besitzen die Fähigkeit in kooperativen, funktionsübergreifenden Teams zu arbeiten. Zudem besitzen sie die Bereitschaft, wie Unternehmenseigentümer zu denken und Verantwortung für den Unternehmenserfolg und die Erreichung definierter Ziele zu übernehmen.“

 

Allerdings bedingen diese Anforderungen und die agile Organisation des Unternehmens den „Intrapreneur“ als neuen Mitarbeitertyp. Intrapreneur leitet sich aus dem anglo-ameri-kanischen Begriff „Entrepreneur“ für Unternehmer ab. Der „Intrapreneuer“ (intra=innen) agiert als Mitarbeiter wie ein Unternehmer im Unternehmen und verfügt über Eigenverantwortung, Autonomie, Risikobereitschaft, weit reichende Entscheidungsbefugnisse, Markt-und Kundenorientierung, Erfolgs- und Ergebnisorientierung“.[2] Auch die Verhandlungen des 71. Deutschen Juristentages widmeten sich der „Digitalisierung der Arbeitswelt – Herausforderungen und Regelungsbedarf“ 2016 und der Bedeutung des „Intrapreneurship“.[3]

 

/Intrapreneurship/ 

Über die Architektur des agilen Unternehmens, die auf der Agilitätsfähigkeit: Kompetenz und auf dem Provider: Mitarbeiter ruht, wird dem Mitarbeiter aus Sicht des Unternehmens eine besonders bedeutende Rolle zugewiesen. Aber wie verändert diese Rolle die tatsächliche Arbeit des Arbeitnehmers? Die agile Unternehmensorganisation bedingt aus Sicht des Unternehmens natürlich auch agile Mitarbeiter. Der Mitarbeiter muss also zunächst, wie die Führungskräfte, die Agilitätsfähigkeiten: Reaktionsfähigkeit, Kompetenz, Schnelligkeit, Flexibilität und Nachhaltigkeit mitbringen. Die Frage nach der näheren Bestimmung dieser Fähigkeiten soll zunächst unter Rückgriff auf die Dissertation von Schießle, „Intrapreneurship-Potenziale bei Mitarbeitern“ [4] geklärt werden, die folgende Motive von Mitarbeitern als Unternehmer (Intrapreneurship) in etablierten Organisationen feststellt (Abb. 2. Motive des Intrapreneurs). Für Schießl[5] kann der Mitarbeiter aus allen Teilen und Hierarchiestufen des Unternehmens stammen und sie legt ihrer Arbeit folgende Definition zugrunde:

 

„Intrapreneurship ist Unternehmertum in etablierten Organisationen. Dies bedeutet, als Mitarbeiter einer Organisation in einem etablierten Organisationsumfeld unternehmerisch und intrinsisch motiviert auch gegen interne Widerstände zu agieren, um innovative Ideen in der Organisation umzusetzen.“

 

Darüber hinaus identifizierte und formulierte die vorgenannte Autorin (Abb. 2: Fähigkeiten des Intrapreneurs) elf Fähigkeiten mit den entsprechenden Erläuterungen. Diese Motive und Fähigkeiten wurden in der dritten Abbildung Intrapreneurship, wie die von Hackl/Gepott und Hackl/Gepott/Malessa/Jeckel bestimmten Führungskompetenzen, übernommen.

Die Agilitäts-Fähigkeiten: Reaktionsfähigkeit, Kompetenz, Schnelligkeit, Flexibilität und Nachhaltigkeit als fünfte Fähigkeit fungieren dementsprechend als fünf agile Fähigkeiten des Intrapreneurs. Folgende Studien bzw. Praxispapiere werden für die Charakterisierung eines Intrapreneurs zusätzlich genutzt:

  • World Economic Forum[6], The Future of Jobs,
  • Institut der deutschen Wirtschaft, Qualifikationsbedarf und Qualifizierung[7],
  • DGFP Leitfaden. Kompetenzen im digitalisierten Unternehmen sowie
  • HAYS, HR-REPORT 2017, Schwerpunktkompetenzen für eine digitale Welt.

Die Fähigkeiten weren im Folgenden erläutert: 

1. Reaktionsfähigkeit: Ist für die Führungskräfte die Fähigkeit schnell zu reagieren im digitalen Unternehmen von besondere Bedeutung, so gilt das im gleichen Maße auch für den Intrapreneur. Veränderungs-, Innovationsbereitschaft und natürlich auch die Fähigkeiten zu den entsprechenden Aktionen zeichnen ebenso wie Ambiguitätstoleranz und Sensivität den modernen Mitarbeiter aus. In der Transformationsphase eines „analogen“ Unternehmens in Richtung „digital player“ wird der Erfolg auch von den Fähigkeiten und der Veränderungsbereitschaft der Mitarbeiter abhängen. Innovationsfähigkeit und –bereitschaft sind, wie bereits erläutert, tragende Säulen des digitalen Unternehmens. 

  • Risikotoleranz, Entscheidungsfähigkeit unter Unsicherheit und die Problemlösungsfähigkeit werden auch von Schießl in ihrem Katalog (Abbildung 3. Fähigkeiten des Intrapreneurs) als relevant erläutert.
  • Das World Economic Forum prognostiziert das komplexe Problemlösungs-, Prozess-, soziale und Systemkompetenzen im Jahre 2020 besonders nachgefragt werden.[8]
  • Die DGFP nennt Veränderungsbereitschaft[9] unter dem Aspekt der Agilität und Interesse und Offenheit gegenüber Digitalisierung (Kontextbezug), grundsätzliches Wissen über technische Möglichkeiten, Anwendungen auf das eigene Tätigkeitsfeld und Sensibilität bezüglich rechtlicher Rahmenbedingungen als Teil der „Digitalen Fitness“[10].

Die Instrumente, wie etwa das Scannen der Umwelt, dienen dem Kontextbezug, den auch die Sensivität der Mitarbeiter ermöglicht. Das Denken in Alternativen obliegt nicht mehr allein den Führungskräften, sondern aufgrund der flacheren Hierarchien und der Dezentralisierung der Entscheidungen (Dezentrale Steuerung und Intelligenz) den Mitarbeitern bzw. Teams. Deshalb verwundert es wohl nicht, wenn die Förderung von Entscheidungsfreude, Kreativität und einer offenen Fehlerkultur ein besonderer Stellenwert zukommt. Kreativität zählt nach Ansicht des World Economic Forums (2016) zu den „top three skills workers will need[11]. Vor dem Hintergrund einer internalen Kontrollüberzeugung (siehe oben Abb. 2, Fähigkeiten des Intrapreneurs) kommt den vorgenannten Instrumenten Bedeutung zu. Eine internale Kontrollüberzeugung ist gegeben, wenn ein Mitarbeiter ein positives oder negatives Ereignis als Konsequenz des eigenen Verhaltens wahrnimmt. Demgegenüber liegt externale Kontrollüberzeugung vor, wenn dieses Ereignis vom eigenen Verhalten als unabhängig wahrgenommen wird, d. h. als der eigenen Kontrolle entzogen. Fehler sollten als Lernerfahrung betrachtet werden und die Fehlerkultur sollte die sog. Musterbrüche als gemeinsames Ringen um die beste Lösung für das Unternehmen begreifen.[12]

2. Kompetenz: Im Mittelpunkt eines agilen Unternehmers steht die Autonomie der Führungskräfte und Mitarbeiter. Mitarbeiter können und wollen autonom handeln. Autonomie bedeutet natürlich im Unternehmen in der Regel Teilautonomie des Einzelnen oder der Arbeitsgruppe. Die Motive, die Schießl ihrer Bestimmung der Fähigkeiten von Intrapreneuren zu Grunde legt, bestimmen den Mitarbeiter. Der Intrapreneur handelt und denkt wie ein Unternehmer. Vor diesem Hintergrund gewinnt auch eine Fähigkeit an Bedeutung. Die Fähigkeit, Menschen durch inspirierende und mitreißende Zukunftsvorstellungen zu herausfordernden und überragenden Leistungen zu motivieren (visionäre Führung). Der Kontextbezug des Intrapreneurs und das sensitive Scannen der Umwelt (über den Tellerrand schauen) können die Grundlage für Visionen bilden.

Die Agilitäts-Fähigkeit: Kompetenz (Empowerment) und der Agilitätsprovider: Mitarbeiter zeigen die Bedeutung geeigneter Führungskräfte (Digital Leadership) und Mitarbeiter (Intrapreneurship), die über Eigenverantwortung/Autonomie, Teamfähigkeit, Risikobereitschaft, weit reichende Entscheidungsbefugnissen, Markt-/Kundenorientierung, Erfolgs- und Ergebnisorientierung verfügen. Das agile Unternehmen bedingt flache Hierarchien, teilautonome Teamarbeit und Kontextführung im Team. Unternehmen profitieren in besonderem Maße von der Zusammenarbeit in Innovationskooperationen und der unternehmens- und branchenübergreifenden Zusammenarbeit kommt auch vor dem Hintergrund der Plattformökonomie große Bedeutung zu.Da Vertrauen im Zeitalter der Digitalisierung eine neue Währung bildet, kommt der Einhaltung von Gesetzen, Regelungen und Vereinbarungen, dem Code of Conduct (Compliance Management) sowie ethischen Grundwerten eine besondere Bedeutung zu.

Da die Agilität auch die Zusammenarbeit in Arbeitsgruppen bedingt, ist die Fähigkeit des Mitarbeiters in Teams kooperativ mit anderen an einer gemeinsamen Zielerreichung mitzuwirken existentiell. Dementsprechend ist auch die Empathie des Intrapreneurs beim Umgang mit Kollegen und Führungskräften relevant. Der Kontakt mit Kunden und Mitarbeitern fremder Unternehmen verdeutlicht zudem die Bedeutung. Was wiederum auch die Fähigkeiten zum Netzwerken voraussetzt. 

  • Für die DGFP[13] verändert sich die Kompetenz unter dem Einfluss der Digitalisierung und verlangt die Arbeit auf ad-hoc-Basis, beschleunigt Entscheidungsprozesse und deren Umsetzung und erfordert ein höheres Maß an Selbstmanagement sowie eine digitale Vernetzungskompetenz in Richtung einer einfacheren Vernetzung über zeitliche und räumliche Grenzen hinweg.
  • Die Untersuchung des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) kommt zu dem Ergebnis (drei Viertel der befragten Unternehmen), dass es für den Großteil der Mitarbeiter in den kommenden fünf bis zehn Jahren vermehrt darauf ankommen wird, eigenständig zu agieren und mit anderen arbeiten zu können. Planungs- und Organisationsfähigkeit sowie Selbstständigkeit als auch Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit sind dabei im Unternehmen 4.0 von deutlich steigender Bedeutung.[14]
  • Das World Economic Forum geht von einer besonderen Nachfrage von sozialen Kompetenzen im Jahre 2020 aus.[15]

Instrumente: Das zentrale Instrument für das Funktionieren agiler Organisationsformen ist das Empowerment, das heißt die Übertragung von Handlungs- und Entscheidungsspielräumen auf die Mitarbeiter. Diese Übertragung nutzt in der Regel die verschiedenen positiven Aspekte der Gruppenarbeit, denn die Veröffentlichungen zu agilen Unternehmen durchzieht wie ein roter Faden die Bedeutung von Gruppenarbeit, virtuellen Teams sowie Scrum. 

Eine wichtige Grundlage des Empowerments findet sich in der Mehrfachqualifikation von Mitarbeitern (funktionale Flexibilität). Der Arbeitnehmer hat für zwei oder mehrere Berufe eine Qualifikationsprüfung abgelegt und kann so neben seiner Haupttätigkeit weitere Tätigkeiten im Arbeitsprozess verrichten. Die Mehrfachqualifikation erhöht auf der einen Seite das individuelle Arbeitsvermögen des Mitarbeiters und auf der anderen Seite die Flexibilität des Unternehmens, weil der Arbeitnehmer auch Tätigkeiten anderer Mitarbeiter etwa bei Gruppenarbeit kurzfristig übernehmen kann. Dabei ist immaterielle und die materielle Beteiligung der Arbeitnehmer am Unternehmen ein wichtiges Instrument der Agil-Fähigkeit: Kompetenz. Die DGFP[16] weist auf vier Ebenen der Partizipation hin:

  1. An der unmittelbaren Arbeitsausführung am Arbeitsplatz.
  2. An der Arbeitsorganisation des Teams oder der Abteilung.
  3. An den Arbeitsbedingungen im Unternehmen.
  4. An der strategischen Ausrichtung des Unternehmens.

Die immaterielle Mitarbeiterbeteiligung bezieht sich auf die verschiedenen Möglichkeiten, die Mitarbeiter durch Partnerschaft im Unternehmen oder Mitbestimmung der Entscheidungsfindung mitwirken zu lassen. Bei der materiellen Mitarbeiterbeteiligung erhalten diese zusätzlich zum Arbeitsentgelt zum Beispiel eine Erfolgs- bzw. eine Gewinnbeteiligung.

In dem Wissenschaftsroman „Surfen auf dem digitalen Tsunami[17] wird der Intrapreuer als Mitglied einer Arbeitsgruppe, die sich wiederum aus Mitarbeitern und Robotern zusammensetzt (Mensch-Maschine-Interaktion), tätig. Die Mitbestimmung nach dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) wird durch die Übertragung von Aufgaben des Betriebsrates auf die Arbeitsgruppe bewerkstelligt (§ 28 a BetrVG)  und die Gruppe wählt einen Gruppensprecher. Das Vergütungskonzept basiert auf drei Vergütungsbestandteilen: der tariflichen Basisvergütung, der Gruppenprämie und einer Gewinnbeteiligung.

Diversity ist schon heute ein prägender Gesichtspunkt der Unternehmen. In der Digitalen Transformation wird dieser Trend noch verstärkt werden.

3. Schnelligkeit: Echtzeitinformationen prägen den digitale Arbeitsalltag und der richtige Umgang mit der Informationsflut beinhaltet auch die Notwendigkeit schneller Entscheidungen auf allen Ebenen des Unternehmens. Der Intrapreneur trifft für seinen individuellen Bereich als auch als ein Teil der Gruppe Entscheidungen. Durch die Verlagerung der Entscheidungskompetenzen auf den einzelnen Mitarbeiter bzw. auf die Arbeitsgruppe müssen diese natürlich auch proaktiv in das betriebliche Geschehen eingreifen bzw. Anregungen geben oder relevante Informationen an die zuständigen Entscheidungsträger übergeben (Kontextbezug). Prozess- und Schnittstellenkenntnis prägen dabei die tägliche Arbeit des Intrapreneurs, da zum einen die Arbeitsprozesse digitalisiert sind oder werden und auf der anderen Seite jede unnütze Schnittstelle Zeit kostet und überflüssig ist. 

  • Das World Economic Forum prognostiziert etwa das Prozess- und Systemkompetenzen im Jahre 2020 besonders nachgefragt werden.[18]

Instrumente: Die Konnektivität erzeugt auf der einen Seite permanente Echtzeitinformationen, die vom Unternehmen „verarbeitet“ werden müssen, erlauben und bedingen wiederum auf der anderen Seite Echtzeitkommunikation. Agile Unternehmen ermöglichen diese Form der Kommunikation auch durch Wearables und alle für die „Mobile Kommunikation“ relevanten Smart Phones, Tabletts etc. Kollaborationsplattformen, Voting-Tools, Blogs und Chats zur Meinungsäußerung verbessern die Kommunikation.

  • Für die DGFP verändert sich die Kompetenz (digitale Businesskompetenzen) unter dem Einfluss der Digitalisierung und bedingt:
    • „Proaktive Kommunikation
    • Paralleles Benutzen neuer Kanäle
    • Hohe Transparenz und Verbreitung von Informationen
    • Höhere Geschwindigkeit der Kommunikationsprozesse
    • Verbesserte globale und interkulturelle Kommunikation
    • Gesteigerte Kommunikation zwischen Mensch und Maschine“[19].

Die Schnelligkeit des unternehmerischen Schaffensprozesses wird zum Beispiel mit der „horizontalen Integration“ und der „vertikalen Integration“ (unten 1. Icon von links) und dem „durchgängigen Engineering“ (unten 2. Icon von links) erreicht. Die Durchgängigkeit des Engineerings über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg basiert auch auf der Verschmelzung der digitalen mit der realen Welt, welche sowohl das produzierte Produkt als auch die Produktion erfassen. Mit dem dritten Icon: Internet der Dinge und Dienste wird die digitale Vernetzung von allen mit allen angesprochen. Die Cyber-Physischen Produktionssysteme (CPPS) (unten 2. Icon von rechts) basieren auf diesen Elementen der digitalen Arbeitswelt.

Plattformen und insbesondere B2B, Innovations-, Informations- oder etwa sozial Media-Plattformen (oben 1. Icon von rechts) sind die Digitalisierung prägende Entwicklungen, die natürlich auch für Schnelligkeit sorgen und entsprechende Mitarbeiter und Qualifikationen bedingen.

4. Flexibilität: Für Schießl verfügt der Intrapreneur über die Fähigkeit der Flexibilität (s.o. Abbildung 2. Fähigkeiten des Intrapreneurs). Dieser kann sich auf geänderte bzw. sich auf wechselnde Anforderungen und Gegebenheiten einer Situation schnell einstellen.

Wie bereits berichtet, bezeichnet der Begriff Flexibilisierung auch in der Organisationstheorie den Prozess zur Erreichung einer erhöhten Agilität von Organisationen und Personen. Das Internet als Basistechnologie der Digitalen Transformation flexibilisiert die Arbeitsorganisation der Unternehmen in Bezug auf den Arbeitsort und der Arbeitszeit. Der Einsatz von Robotern und Machine Learning zum Beispiel flexibilisiert zudem die individuelle Arbeitstätigkeit des Mitarbeiters. Im Rahmen der Mensch-Maschine-Interaktionen sind unendliche Formen des Zusammenwirkens von Mensch und Maschine denkbar. Nach der genannten Studie des IWsieht jedes zweite der hiesigen Unternehmen (48,3 Prozent) durch die Verbreitung des Internets die nächsten fünf bis zehn Jahre die Chance, die Arbeitsorganisation flexibler gestalten zu können.“ [20]

  • Der HAYS, HR-REPORT 2017[21] nennt folgende Beschäftigungseffekte (Auszug) der digitalen Transformation (in Klammern: Prozentsatz der Befragten):
    • Entstehung neuer Tätigkeitsfelder (55%)
    • Zunahmen von flexiblen Beschäftigungsverhältnissen (41%)
    • Zunehmender Ersatz von Routinearbeiten im mittleren Qualifikationsniveau durch Maschinen und Software (40%)
    • Mensch und Maschine werden zu komplementären Produktionsfaktoren (21%)
    • Verstärkter Einsatz von Expertinnen und Experten aus anderen Ländern (9%).

Instrumente: Ein bedeutendes Instrument der Flexibilität ist die flache Hierarchie. Eine flache Hierarchie beschreibt eine hierarchische Struktur der Organisation, in der im Gegensatz zur steilen Hierarchie Ranghöhere wenige Eingriffe in Entscheidungen Rangniedrigerer vornehmen. Diese Organisationsstruktur setzt auf Eigeninitiative und -verantwortung.[22] Diese Organisationsform verbessert die Schnelligkeit betrieblicher Entscheidungsprozesse, weil die Entscheidungen quasi vor Ort dezentral getroffen werden können und Schnittstellen entfallen. Das Empowerment bildet ebenso wie dezentrale Steuerung die Grundlage für flache Hierarchien.

Die Konnektivität ermöglicht hierbei auf der einen Seite sehr unterschiedliche Formen des mobilen Arbeitens, der Kooperation und Vernetzung auch in virtuellen Teams. Auf der anderen Seite bedingt und ermöglicht die Konnektivität die Variabilität der Beschäftigungsverhältnisse in einem grenzenlosen, weltumspannenden Arbeitsmarkt der World Wide Work.[23] Die Basis hierfür findet sich in einer sicheren und agilen IT-Infrastruktur. Cloud Computing ist die Voraussetzung für alle Zukunftskonzepte. Vom Internet der Dinge und Industrie 4.0 über Plattformen und disruptive Geschäftsmodelle bis zur intelligenten Nutzung großer Datenmengen (Big Data) und vernetzter Wissensarbeit reicht die digitale Arbeitswelt. Interne (unten: 1. Icon) oder externe Crowdworker (unten: 2. Icon) können auf internen (unten: 3. Icon) oder externen (offenen) Crowdworking-Plattformen (unten: 4. Icon) mitwirken. Die Flexibilisierung der Arbeit und die Etablierung virtueller Organisationen bringen auch vielfältige Beschäftigungsformen mit sich. Teilzeit, Home Office (unten: 5. Icon), befristete Beschäftigung, Arbeitnehmerüberlassung sowie Solo-Selbständigkeit bzw. „digital Work“ (Cloud-, Crowd- und Clickworking) sind zu nennen.

Es bildet sich eine „digital Workforce“ auf die Unternehmen weltweit zugreifen können. Ein Auszug aus dem Entwurf einer Vereinbarung zum Crowdworking (Wissenschaftsroman „Surfen auf dem digitalen Tsunami“, S. 346 f.) hebt dies hervor:

 

„Die Vernetzung bahnt einer neuen Geografie der Arbeit den Weg, die nunmehr zwischen zwei Polen ruht. Ein Pol bildet die zunehmende internationale Beweglichkeit digital vernetzter Arbeit. Die weltweite Einbindung von Erwerbstätigen in transnationale Organisations- und Arbeitszusammenhänge bildet den zweiten Pol. World Wide Work erobert gleichermaßen die Arbeitsplätze der Hand- und Kopfarbeiter, bedingt die Auflösung des Betriebes als klassisches Gravitationszentrum der Arbeitswelt und der (arbeitsrecht)lichen Gestaltungen und führt zu einer Herausbildung tendenziell globaler Wettbewerbsverhältnisse auf Teilarbeitsmärkten. Neben die verorteten Betriebe treten wettbewerbsfähigere Crowdsourcing-Plattformen. Betriebsgebundene Arbeit trifft auf einen Wettbewerb im weltweiten Maßstab. Mit dem www, dem Cloud- und Crowdworking verlieren der Arbeitsort und die Arbeitszeit an Bedeutung. Der Arbeitsort kann überall auf dieser Welt sein, es bedarf nur eines Internetanschlusses und eines Computers. Durch den „death of distance“ und dem „Follow-the-sun-workflows“ hat auch das „nine to five“ ausgedient.“

 

Die Teamarbeit in crossfunktionalen Teams macht sich die unterschiedlichen Qualifikationen (Mehrfachqualifikationen) der einzelnen Teammitglieder zu nutze. Crossfunktionale Teams können auch als virtuelle Teams agieren. Virtuelle Teams können auch wegen der unternehmens- und branchenübergreifenden Zusammenarbeit von Bedeutung sein und wirken über regionale, nationale, kulturelle Grenzen sowie Zeitzonen hinweg zusammen. Entscheidungs-, Produktions- und ggf. Entwicklungsprozesse können durch virtuelle Teams beschleunigt werden. Die Mitglieder dieser Teams können, müssen aber nicht demselben Arbeitgeber verpflichtet sein. Dadurch kann sich jedes Unternehmen im Rahmen einer virtuellen Organisation flexibel auf seine originären Kernkompetenzen konzentrieren und dabei gleichzeitig Zugang zu den Kernkompetenzen anderer Unternehmen erlangen.[24] Design Thinking etwa nutzt das Wissen von Mitarbeitern unterschiedlicher Disziplinen und Sichtweisen, die in einem die Kreativität fördernden Umfeld Probleme, Kundenwünsche und Bedürfnisse besser wahrnehmen und befriedigen, da die Verbindung unterschiedlichen Perspektiven und Qualifikationen in einem Team zu einem Verschmelzen unterschiedlicher Wissensdisziplinen beitragen können.

Mit der dezentralen Intelligenz und der dezentralen Steuerung in der agilen Arbeitswelt (linkes Icon) wird die flache Hierarchie unterstützt. Folge: relevante Beschleunigung betrieblicher Entscheidungs-, Produktions- und ggf. Entwicklungsprozesse. Dezentralisierung bedeutet, dass Aufgaben, auch gleichartige, auf mehrere Stellen übertragen werden.

Das dezentrale Konzept bedeutet quasi „verteilte Intelligenz“, denn die dezentralen Träger der Aufgaben verfügen über die zur Ausführung der Arbeitsaufgabe notwendigen Fähigkeiten bzw. Kompetenzen oder technischen Ausstattungen. Dezentrale Intelligenz wiederum kann als eine Voraussetzung für die dezentrale Steuerung angesehen werden. Diese Form der Intelligenz meint die Fähigkeit von Produktionsmittel und –anlagen individuell und ortsunabhängig, für den Prozess der Produktion wichtige Informationen an dezentrale Steuerungssysteme weitergeben zu können.[25] Diese Steuerungssysteme wiederum werden über das Internet der Dinge verbunden und arbeiten eben nicht mehr zentral.[26] Dezentrale Intelligenz und Steuerung werden natürlich auch beim Einsatz von Mitarbeitern bedeutsam. Spätestens seit der Diskussion um Lean Management, Gruppenarbeit und dem Toyotismus wird die Einführung von teilautonomen Teams mit der Dezentralisierung und Delegation von Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortungsbereichen positiv verbunden. Die Arbeitsgruppe bildet hierbei als kleinste innerbetriebliche Organisationseinheit die Grundlage für eine dezentrale Organisation. Teilautonome Arbeitsgruppen verkürzen Abstimmungswege, verringern Schnittstellen und bauen Hierarchieebenen ab. Das Ergebnis ist eine schnellere Tätigkeit der Gruppe, der einzelnen Gruppenmitglieder und natürlich des gesamten Unternehmens. Es ergeben sich so einfachere, schnellere und effizientere Entscheidungsstrukturen.

  • Die Unternehmen (44,2% der Befragten) gehen nach der Studie des IW[27]davon aus, dass:
    • Eine zusätzliche Dezentralisierung der Produktions- und Dienstleistungserstellung durch das Internet ermöglicht wird und eine zeitnahe Funktionskontrolle ermöglicht.

Die Einführung der dezentralen Intelligenz und Steuerung erhöht natürlich den Qualifikationsbedarf der Zukunft[28] und die Planungs- und Organisationsfähigkeit werden, wie die Selbständigkeit und Flexibilität der Mitarbeiter, für den Erfolg der Smart Factory von großer Bedeutung. Die vierte industrielle Revolution setzt die „Ironien der Automatisierung“ aber nicht außer Kraft.[29] Der Nukleus der digitalisierten Wertschöpfung findet sich in der richtigen Ausgestaltung des Verhältnisses Mensch und Maschine; in den Mensch-Maschine-Teams.

  • Der HAYS, HR-REPORT 2017[30] nennt folgende Herausforderungen (Auszug) der Digitalisierung für die Arbeitsorganisation (in Klammern: Prozentsatz der Befragten):
    • Anpassung der Führungskultur an flexible Arbeitsmodelle (53%)
    • Organisation zeitlich und räumlich unabhängiger Arbeitsmodelle (42%)
    • Integration der mobilen Formen des Arbeitens in bestehende Arbeitskulturen (39%)
    • Umgang mit zunehmender Variabilität der Beschäftigungsverhältnisse (Freelancer etc.) ( 28%)

Die Unternehmens- und branchenübergreifende Zusammenarbeit (linkes Icon) wird zum wesentlichen Bestandteil der Flexibilität. Die Megatrends stehen, wie bereits dargestellt (3. Gebot), in engen Beziehungen miteinander, und die verschiedenen Technologien profitieren in dem Maße voneinander, wie sich jede einzelne von ihnen weiterentwickelt.

5. Ökologische, ökonomische und soziale Nachhaltigkeit: Die Nachhaltigkeit betrifft in der digitalen Welt drei Dimensionen: die Ökologie, die Ökonomie und das Soziale. Für die Merkmale eines Intrapreneurs sollen folgende Punkte angesprochen werden:Markt- und Kundenorientierung, Bewusstsein für Umwelt/Recht/Dialogund Transparenz.Die Diskussion zur Bedeutung der Digitalen Transformation wird von einem Gesichtspunkt besonders geprägt: der Markt- und Kundenorientierung. Der Verbraucher und Kunde wird zum Prosumenten. Disruptive Geschäftsmodelle rücken den (potentiellen) Kunden und dessen persönlichen - expliziten und impliziten - Daten und individuellen (geheimen) Wünsche in den Mittelpunkt. Big Data und die Künstliche Intelligenz formen aus den offen oder verdeckt gewonnenen Daten Geschäftsideen und –modelle. Daten und der vertrauensbildende Umgang mit diesen entscheiden über den nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolg der Unternehmen. Dem Intrapreneur ist dies bewusst. Die Umwelt liegt ihm am Herzen. Die Einhaltung von Rechtsnormen bedeutet ihm noch etwas. Der Dialog mit dem Stakeholdern, den Kollegen und seiner Familie steht im Mittelpunkt seiner Aktionen. Seine Handlungen sind transparent und schaffen Vertrauen. Ebenso ist Persistenz von Bedeutung. Dies gilt auch, wenn eventuell (analoge) Führungskräfte eine andere Sicht der Dinge in den betrieblichen Alltag einbringen. In der Digitalen Transformation wird dies wohl nicht selten Realität.Vielfältige Instrumente sind denkbar, um nachhaltig zu agieren. Zu nennen sind etwa Standards, Compliance, das Management von Umwelt, Wissen, Demografie und Gesundheit. Aber auch das Angebot tariflicher oder freiwilliger betrieblicher Sozialleistungen wie etwa Altersversorge oder betrieblicher Gesundheitsförderung sind von Bedeutung, weil die soziale Nachhaltigkeit  für Unternehmen, Mitarbeiter und Gesellschaft vor dem Hintergrund der vielfältigen Herausforderungen für die deutschen Sozialsysteme, wie etwa die Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt und die Demografie, an Bedeutung gewinnt.

Anmerkungen:


[1] Zobel, Agilität im dynamischen Wettbewerb, 2005, S. 214 f. mit weiteren Nachweisen.

[2] Wicher, Managementkompetenzen, Herausgeber Klaus Olfert, Herne 2015, S. 91; Schack, Surfen auf dem digitalen Tsunami, 2017, S. 215.

[3] Verhandlungen des 71. Deutschen Juristentages, 2016, Band 1 Gutachten, Seite B 17.

[4] Die Autorin hatte die vorgenannten Motive als auch die in der Abbildung genannten Fähigkeiten eines Intrapreneur im Jahre 2009 mit einer systematischen Literaturrecherche gewonnen, Schießl, Intrapreneurship-Potenziale bei Mitarbeitern, 2015, S. 53 in Fußnote 7.

[5] Schießl, ebenda, S. 18.

[6] World Economic Forum, The Future of Jobs, 2016.

[7] Die Daten der Untersuchung wurden im Zuge der 11. Welle des IW-Personalpanels im Winter 2014 durch das Institut der deutschen Wirtschaft Consult GmbH in Kooperation mit dem Zentrum für Evaluation und Methodenlehre der Universität Bonn erhoben.

[8] World Economic Forum, The Future of Jobs, 2016, zitiert nach Schwab, Die vierte industrielle Revolution, 2016, S. 65.

[9] DGFP-Praxispapiere, Leitfaden 02/2016, Leitfaden: Kompetenzen im digitalisierten Unternehmen, S. 13.

[10] DGFP-Praxispapiere, ebenda, S. 15.

[11]https://www.weforum.org/agenda/2016/01/the-10-skills-you-need-to-thrive-in-the-fourth-industrial-revolution, zuletzt zugegriffen am 24.01.2018.

[12] DGFP-Praxispapiere, Agile Unternehmen – Agiles Personalmanagement,  2016, S. 37.

[13] DGFP-Praxispapiere, ebenda, S. 13.

[14] Institut der deutschen Wirtschaft, Qualifikationsbedarf und Qualifizierung, IW policy papers 3/2016, S. 10 f.

[15] World Economic Forum, The Future of Jobs, 2016, zitiert nach Schwab, Die vierte industrielle Revolution, 2016, S. 65.

[16] DGFP-Praxispapiere, Agile Unternehmen – Agiles Personalmanagement,  2016, S. 34.

[17] Schack, Surfen auf dem digitalen Tsunami. 2017, S. 231 f.

[18] World Economic Forum, The Future of Jobs, 2016, zitiert nach Schwab, Die vierte industrielle Revolution, 2016, S. 65.

[19] DGFP-Praxispapiere, ebenda, S. 13.

[20] Institut der deutschen Wirtschaft, Qualifikationsbedarf und Qualifizierung, IW policy papers 3/2016, S. 13.

[21] Hays, HR-Report 2017, Schwerpunktkompetenzen für eine digitale Welt,  eine empirische Studie des Institutes für Beschäftigung und Employability IBE, S. 13.

[22]https://de.wikipedia.org/wiki/Flache_Hierarchie, zuletzt zugegriffen am 16.01.2018.

[23] Schack, ebenda, S. 340 f. mit weiteren Nachweisen

[24] Zobel, Agilität im dynamischen Wettbewerb, Wiesbaden 2005, S. 198.

[25] Siepmann, Industrie 4.0 – Fünf zentrale Paradigmen, in: Roth (Hrsg.), Einführung und Umsetzung von Industrie 4.0, 2016, S. 39.

[26]Siepmann, ebenda, S. 34.

[27] Institut der deutschen Wirtschaft, Qualifikationsbedarf und Qualifizierung, IW policy papers 3/2016, S. 15.

[28] Institut der deutschen Wirtschaft, ebenda, S. 16.

[29] Zu den vier Ironien der Automatisierung und Digitalisierung Schack, Surfen auf dem digitalen Tsunami. 2017, S. 164 f.

[30] Hays, HR-Report 2017, Schwerpunktkompetenzen für eine digitale Welt,  eine empirische Studie des Institutes für Beschäftigung und Employability IBE, S. 15.



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