Beirat oder Aufsichtsrat in der Digitalen Transformation?

Buchbesprechungen 01. April 2022 - Das Schack

In den Zeiten von Amazon, Meta, Palentir, Künstlicher Intelligenz, Cyber-Physischen-Produktions-Systemen und New Work fragen sich Unternehmer: Wie digitalisiere ich richtig? Das sind zwei Seiten einer Medaille: Moderne Unternehmen brauchen neben qualifizierten Führungspersonal oder Mitarbeitern in Sachen Digitalisierung auch digitale Aufsichtsräte oder Beiräte, die sich wiederum fragen: Wie werde ich »digitaler« Aufsichtsrat oder Beirat? Welche Qualifikationen sind relevant und wie und wo kann ich meine Kompetenzen einbringen?

Dipl. Ökonom Rudolf X. Ruter beantwortet alle Fragen in der zweiten Auflage seines Ratgebers prägnant und charakterisiert in seinem Beitrag »Ethik, Moral und Ehre des digitalen Beirates«  den ehrbaren und digitalen Beirat im Kontext der Corporate Digital Responsibility (CDR) als Garant für neues Denken, weil analoge Erfolgsrezepte ins Leere gehen (siehe 4/2021 Aufsichtsrat aktuell, S. 149). Was aber bedeuten die Begriffe Corporate Digital Responsibility, Industrie 4.0, Digitale Ökosysteme oder Arbeit 4.0 und New Work für den Beirat mit digitalem Know How?

Aber eins nach dem anderen! Der aktualisierte Ratgeber führt auf 132 Seiten prägnant, kurzweilig und zugleich schonungslos durch die Arbeitswelt von Beiräten und Aufsichtsräten. Neben den Voraussetzungen und Rahmenbedingungen für die Mitwirkung in einem Aufsichtsgremium und Fragen der fachlichen und persönlichen Qualifikation von Interessenten, werden die Entscheidungsprozesse, die Bedeutung des Networking sowie die Strategie und Erfolgsfaktoren beschrieben. Das Wissen um die rechtlichen Rahmenbedingungen zählt zum Handwerkszeug und reicht von unterschiedlichen Codices zu Corporate Governance und Ethik oder branchenspezifischen Codizes oder DIN SPEC Leitlinien bis hin zu den einschlägigen Gesetzen. Dem potentiellen Aufsichtsrat oder Beirat wird eine zeitaufwendige Recherchearbeit erspart und Raum für Selbstreflektion eröffnet. Die Selbstreflektion erfährt durch die dargestellten, notwendigen fachlichen und persönlichen Qualifikationen der Kandidaten ein gutes Korrektiv.

Neben den üblichen Qualifikationen für Aufsichtsräte und deren hergebrachten Ausschüsse verweist Ruter auf weitere temporäre oder dauerhafte Ausschüsse für IT oder digitale Ethik. Denn die Digitalisierung der Unternehmen erfordert – so Ruter - entsprechende Qualifikationen, die z. B. in themenbezogenen Ausschüssen des Aufsichtsrates zum Tragen kommen können. Für den Autor erfordern bestimmte Themen der Ausschussarbeit besondere fachliche Fähigkeiten und Kompetenzen im Sinne von Sonderqualifikationen, die über die geforderten Mindest- oder Basiskompetenzen des Mitgliedes eines Aufsichtsgremiums hinausgehen können.

Digitale Souveränität

Zu den üblichen Beiratsaufgaben zählen Beratung, Steuerung, Unterstützung, Coaching und Sparring von Eigentümern, Vorständen, Geschäftsführern oder Gesellschaftern im Transformationsprozess. In Ermangelung einer »Ausbildungsordnung« für digitale Beiräte, wird deren Qualifikation an dieser Stelle aus Perspektive der digitalen Souveränität beleuchtet. Für das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) sind innerhalb von Unternehmen Anwendungskompetenzen in Bezug auf digitale Technologien und hoher digitaler Souveränität, Fähigkeiten, mit denen die Digitalisierung des Unternehmens souverän gestaltet werden können (BMWi) 2021, S. 11 nach BMWi 2018):

»Souveränität bezeichnet die Möglichkeit zur unabhängigen Selbstbestimmung von Staaten, Organisationen oder Individuen. Digitale Souveränität ist heute ein wichtiger Teilaspekt allgemeiner Souveränität, der die Fähigkeit zur unabhängigen Selbstbestimmung in Bezug auf die Nutzung und Gestaltung digitaler Systeme selbst, der darin erzeugten und gespeicherten Daten sowie der damit abgebildeten Prozesse umfasst.«

Für die »Deutschen-Digitalen-Beiräte« berät der Beirat im digitalen Umfeld und verbessert so die Innovationsfähigkeit des Unternehmens. Die Gestaltung digitaler Business-Modelle zählt zu den Kernaufgaben von Beiräten. Die digitalbezogenen Veränderungen umfassen neben der IT das gesamte Unternehmen von Vertrieb bis hin zur Produktion und Produktentwicklung (https://www.deutsche-digitale-beiräte.de/). Nach Rudolf X. Ruter fokussiert sich der ehrbare, digitale Beirat auf das Thema der Digitalisierung im Unternehmenund Corporate Social Responsibility (CSR) sowie Corporate Digital Responsibility (4/2021 Aufsichtsrat aktuell, S. 149). Corporate Digital Responsibility (CDR) wiederum symbolisiert die unternehmerische Verantwortung im digitalen Zeitalter (dazu umfassend Dörr, S. 38 ff.).

In diesem Kontext kann die digitale Souveränität eines Beirates als Spiegelbild zu digitalbezogenen Entscheidungs- und Handlungs- sowie Technikkompetenzen im Unternehmen verstanden werden. Sechs zentrale Technologiefelder umfasst die digitale Souveränität: 1. Hardware/Infrastruktur, 2. Software/Anwendungen, 3. Künstliche Intelligenz, 4. IT-Sicherheit, 5. Digitale Plattformen, 6. Daten (BMWi 2021, S. 12). Entscheidungskompetenzen beinhalten die Fähigkeiten, Leistungsfähigkeit und Vertrauenswürdigkeit von Komponenten und Lösungen am Markt verstehen, beurteilen und prüfen zu können. Handlungskompetenzen beziehen sich demgegenüber auf den effektiven Einsatz von digitalen Technologien zur Steigerung der Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit (z. B. Datenkompetenz) des Unternehmens.

Digitaler Beirat und Industrie 4.0

Aus Sicht des Industriestandortes Deutschland kann die Qualifikation eines digitalen Beirates zunächst im Kontext der Industrie 4.0 skizziert werden, bevor ein Überblick über die Qualifikationen erfolgt. Der Begriff Industrie 4.0 geht zurück auf die Forschungsunion der Bundesregierung und ein gleichnamiges Projekt in der Hightech-Strategie. Mit der Plattform Industrie 4.0 soll unter der Leitung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) und des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) der digitale Strukturwandel zusammen mit Wirtschaft, Gewerkschaften und Wissenschaft gestaltet werden. Industrie 4.0 bezeichnet die intelligente Vernetzung von Maschinen und Abläufen in der Industrie mit Hilfe von Informations- und Kommunikationstechnologie. Die Plattform 4.0 will mit einem »Leitbild 2030 für Industrie 4.0« die digitalen Ökosysteme global gestalten (BMWi, S. 1, Stand Mai 2019):

»Industrie 4.0 beschreibt einen grundlegenden Innovations- und Transformationsprozess industrieller Wertschöpfung. Leitmotiv dieses Wandels sind neue Formen des Wirtschaftens und Arbeitens in globalen, digitalen Ökosystemen: Heutige starre und fest definierte gekoppelten Wertschöpfungsketten werden abgelöst durch flexible, hochdynamische und weltweit vernetzte Wertschöpfungsnetzwerke mit neuen Arten der Kooperation. Datengetriebene Geschäftsmodelle stellen Kundennutzen und Lösungsorientierung in den Vordergrund und ersetzen die Produktzentrierung als vorherrschendes Paradigma industrieller Wertschöpfung. Verfügbarkeit, Transparenz und Zugang zu Daten sind in der vernetzten Ökonomie zentrale Erfolgsfaktoren und definieren maßgeblich die Wettbewerbsfähigkeit.«


Ökonomische, ökologische und soziale Nachhaltigkeit bilden dabei Eckpfeiler der gesellschaftlichen Wertorientierung und fließen in Industrie 4.0 ein (BMWi, Positionspapier Industrie 4.0, S. 2).

Richtung: Plattformökonomie

Flexible, hochdynamische, weltweit vernetzte Wertschöpfungsnetzwerke und Digitale Ökosysteme erfassen nicht nur die industrielle Wertschöpfung, sondern auch alle anderen Wirtschaftsbereiche. In diesem Kontext kommen für die digitale Souveränität eines digitalen Beirates vielfältige Kompetenzen in Betracht, die nachstehend visualisiert sind.

Im Zentrum der Betrachtung stehen sowohl die Plattformökonomie mit digitalen Ökosystemen als auch die IT-Sicherheit. Das Plattformmodell wird als dominantes Wettbewerbsmodell klassische Modelle nach dem Motto »Plattformen schlagen Produkte immer« verdrängen. Die Plattformisierung und die entsprechende Bedeutung der Netzwerke führen so zum »The Winner takes it all-Effekt«, weil in der digitalen Wirtschaft der Gewinner oft 70 oder 80% des Marktes besetzt« (Schack, 2017, § 5 Body of laws for digitalisation m. w. N., S. 400 ff.). Ruter fragt daher zurecht: »Wieviel soll in einem Unternehmen bis Ende des Jahres über eine digitale Plattform verkauft werden?«.

CyberCrime

Konnektivität und Digitalisierung erzeugen gleichzeitig CyberCrime als weltumfassendes Geschäftsmodell, das neben Drogen-, Waffen- und Menschenhandel die digitale Transformation prägt (Schack 2017, § 4 Body of laws for digitalisation, S. 400 ff.). Norbert Pohlmann hebt hervor, dass die Cyber Crime-Risiken für die Unternehmen durch die Digitalisierung immer größer werden und die Robustheit und Resilienz der verwendeten IT-Systeme nicht hinreichend ist, mithin der Level an Cybersicherheit nicht dem »Stand der Technik« entspricht (Pohlmann, S. 186).

Big Data und Künstliche Intelligenz

Sowohl Big Data, die Cloud und Künstliche Intelligenz als auch Hardware/Infrastruktur und Software/Anwendungen prägen die unternehmerische Arbeit, wie die Icons symbolisieren (siehe oberes, rechts Fünfeck). Eine entscheidende Grundlage für eine erfolgreiche Digitalisierung findet sich im richtigen Umgang mit Daten. BIG DATA steht für die Bedeutung von Daten, denn Daten sind die treibende Kraft der technologischen Innovationen. Big Data umschreibt die Fähigkeit, mit der riesigen Flut von Informationen/Daten umzugehen und diese im wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und auch politischen Bereich sinnvoll zu nutzen. Big Data beinhaltet also alle Maßnahmen, die es ermöglichen, große Mengen an Daten zu erheben, zu verarbeiten und diese analytisch zu verwerten. Die entsprechenden Daten ermöglichen den Unternehmen in der digitalen Welt solidere Entscheidungen zu treffen und leistungsfähigere Anwendungen zu entwickeln. Denn datenbasierte Entscheidungen optimieren nicht nur Geschäftsprozesse, sondern sind Basis für neue Services, fundierte Weichstellungen für die Zukunft, Prognosen oder aber die Grundlage für Produktverbesserungen.

Konnektivität und Industrie 4.0

Die Verbindung der Industrie 4.0 mit der Arbeit des digitalen Beirates zeigt das weiße Fünfeck, in dem für die Produktion neben Cyber-Physischen Produktions-Systemen, dem Internet der Dinge sowohl Roboter als auch die Mensch-Maschine-Interaktion und die Grundlagen der virtuell-standortunabhängigen Arbeit angesprochen werden. Die Konnektivität des Unternehmens basiert auf Informations- und Kommunikationstechnologien wie etwa der 5G Standard, Cloudcomputing, Internet der Dinge oder Blockchain. Im Rahmen der Produktion stehen in der Smart Factory Cyber-Physische-Produktions-Systeme (CPPS), Roboter und die Mensch-Maschine-Interaktion im Mittelpunkt. Alexander Gerybadze verweist in diesem Zusammenhang auf die General Purpose Technology. Gemeint sind damit Querschnittstechnologien, die gleichzeitig starke Produktivitätswirkungen auf mehrere Wirtschaftsbereiche entfalten. Die Informations- und Kommunikationstechnologien sind zweifelsfrei General Purpose Technologien des 21. Jahrhunderts (Gerybadze 2020, S. 246).

Unternehmens- und branchenübergreifende Zusammenarbeit sowie Open Innovation

Sowohl Open Innovation als auch unternehmens- und branchenübergreifende Kooperationen symbolisieren die Icons im untersten Fünfeck. Zwischen Digitalisierung, Innovationstätigkeit und Open Innovation bestehen vielfältige Wechselwirkungen. Die Digitalisierung erlaubt die Innovationstätigkeit, indem sie oftmals die technologische Basis darstellt, die Innovationen erst ermöglichen (Zimmermann, 14. 10. 2021, S. 1). Der Einsatz von digitalen Technologien ermöglicht eine unternehmens- und branchenübergreifende Kooperation und wirkt sich auf alle Unternehmen aus, unabhängig von Branche und Betriebsgröße (Bosse/Zink 2019, S. 6).

Kompetenzen 4.0 und neue Berufsbilder

Neue Berufsbilder und die Kompetenzen 4.0 sind ein Ergebnis der Digitalen Transformation. Das wissenschaftliche Institut für Infrastruktur und Kommunikationsdienste untersuchte 2021 die digitalen Arbeitswelten im Mittelstand sowohl durch die Auswertung von Studien zur Arbeit 4.0  als auch durch einen Fachdialog mit Expert:innen aus dem Forschungsumfeld zur digitalen Arbeitswelt (wik, S. 3): »Nicht nur für kleine und mittlere Unternehmen besteht ein anhaltender Veränderungsdruck hin zu agilen und flexiblen Arbeitsweisen, um die Kundenbedarfe schneller erkennen und befriedigen zu können. Verstärkt wird dieser Druck durch den Fachkräftemangel, denn qualifiziertes Personal erwartet moderne Arbeitsbedingungen. Um digitale Arbeitsprozesse erfolgreich zu implementieren sind Veränderungsbereitschaft in der Führungsebene einschließlich neuer Führungsrollen ebenso grundlegend, wie kontinuierliche Qualifizierungen der BelegschaftDie Digitalisierung erzeugt so neue Berufsbilder und fordert neue Kompetenzen. Lucia Falkenberg (Falkenberg 2020, S. 47): »In der neuen Arbeitswelt kommen dem individuellen Streben nach der lebenslangen Weiterentwicklung der eigenen Fähigkeiten und kontinuierlicher Fortbildung eine immens hohe Bedeutung zu. Hier stehen nicht nur Unternehmen, sondern auch Politik und Gesellschaft vor großen Herausforderungen.« Das digital vernetzte Arbeitsleben erfordert veränderte Fähigkeiten und Kompetenzen von Mitarbeitern und Führungskräften (Münchner Kreis 2020, S. 1). Kleine und mittlere Unternehmen unterscheiden sich insbesondere dadurch von größeren Unternehmen, dass sie in der Regel über kein dediziertes Fachpersonal zu Digitalisierung, Change Management und innovativen Arbeitsmethoden verfügen (Wik, S. 3). Ruter sieht  zu recht in der Etablierung separater Digital-Ressorts (CTO, CIO) eine Aufgabe von digitalen Beiräten. Die Diskussion betrifft auch folgende Funktionen: Chief Data Officer (CDO), Chief Innovation Officer (CINO), Chief Digital Officer (CDO) bzw. Chief Digital Transformation Officer und Chief Transformation Officer (auch CTO oder CTMO; vertiefend Schack: Das siebte Gebot der Agilität).

DIGITAL LABOUR FORCE

Da die Arbeitsgegenstände der digitalen Arbeit in wesentlichen Teilen als Daten in digitalisierter Form existieren und die Arbeit 4.0 unter maßgeblicher Nutzung informations- und kommunikationstechnischer Arbeits­mittel verrichtet wird, erfassen die Plattformökonomie und die sog. DIGITAL LABOUR FORCE (oberes, linkes Fünfeck) die Arbeitskraft von Arbeitnehmern und Selbständigen. Die Unternehmen können das Internet nicht nur als Handelsraum nutzen, sondern auch als Marktplätze für Arbeitskraft. Die digitale Arbeitswirklichkeit prägen sowohl Arbeitskraft-Ökosysteme, ein weltweiter Mitarbeitereinsatz, internes und externes Crowdworking als auch eine unternehmens- und branchenübergreifende Zusammenarbeit in virtuellen Netzwerken sowie der Einsatz von künstlicher Intelligenz (Schack, Expertenmeinung, S. 49 f.). Das World Wide­ Web bedeutet in Zeiten der Hyperkonnektivität auchWorld Wide Work (Schack, 2017, S. 341 f.). Die »Unselbständigkeits-Trias der DIGITAL LABOUR FORCE« spiegelt diese Entwicklung wider (Schack, 2020, S.106, Abb. 7) und umfasst die unterschiedlichen Formen der Erwerbstätigkeit:

  1. Arbeitnehmer (Digital Workforce) dazugehörig auch:
    • Interne Crowd- oder Gigworker, Mitarbeiter im Home- oder Mobile Office, Internet-Arbeitnehmer,
    • Fremdfirmenbeschäftigte, Leiharbeiter sowie
  1. Selbständige (z. B. Crowd- und Gigworker, Freelancer, digitale Nomaden) und
  2. arbeitnehmerähnliche Personen (§ 12a TVG), Heimarbeiter.

Für Gerd Simon (Simon 2020, S. 51 ff.) etwa repräsentieren nach der Bayboomer-Generation die »Digitalen Nomaden« die Zukunft der Arbeit, weil diese ortunabhängig und weltweit die digitalen Technologien zur Ausübung ihrer Arbeit nutzen und ihre Talente selbstbestimmt in die unternehmerische Wertschöpfung einbringen können.

Fazit: Digitaler Beirat und digitale Souveränität

Die Digitalisierung erzeugt unternehmens- und branchenübergreifende Wertschöpfungsnetze sowie »Digitale Ökosysteme« und für den wirtschaftlichen Erfolg des Mittelstands sind digitale Technologien und die digitale Souveränität entscheidend. Die Digitalisierung erlaubt kleinen und mittleren Unternehmen neue Geschäftsmodelle zu entwickeln und durch Effizienzvorteile ihre Wettbewerbsfähigkeit gegenüber großen Unternehmen zu halten oder auszubauen. Die digitale Arbeitswelt eröffnet dem Mittelstand zusätzlich vielfältige neue Chancen, wie etwa die Flexibilisierung der Arbeitszeit und des Arbeitsortes (mobile Arbeit, hybride Arbeitsformen) oder die Kollaboration von Mensch und Technik (Gesmann-Nuissl, 2019, S. 35 ff.) in Mensch-Maschine-Teams (Schack 2017, S. 105; Schack, 2020, S. 113). Allerdings sind je nach Unternehmen und Geschäftsmodell unterschiedliche Qualifikationen der digitalen Beiräte relevant, wobei das Wissen um unternehmens- und branchenübergreifende Wertschöpfungsnetze und Digitale Ökosysteme neben Big Data und Künstlicher Intelligenz im Mittelpunkt stehen. Die Entwicklungsstufen der Künstlichen Intelligenz weisen mit der unterstützender KI, automatisierender KI und autonomer KI (Arthur D. Little et eco, S. 129) auf eine wichtige Entwicklung hin: Die Mensch-Maschine-Interaktion wird zum wichtigen Teil des unternehmerischen Wertschöpfungsprozesses. Aber auch Fragen der ökonomischen, ökologischen und sozialen Nachhaltigkeit werden für den Mittelstand relevant. Diese Definition für die digitale Souveränität des digitalen Beirates bietet sich für mich an:

Die digitale Souveränität des digitalen Beirates ist die Fähigkeit zur unabhängigen Unterstützung/Beratung

  1. sowohl hinsichtlich der nachhaltigen Nutzung und Gestaltung digitaler Systeme, insbesondere »Digitaler Ökosysteme«,
  2. als auch der dafür oder darin erzeugten und gespeicherten Daten und der jeweils abgebildeten digitalen Prozesse und darüber hinaus
  3. hinsichtlich der selbständigen bzw. unselbständigen digitalen Arbeit und der erforderlichen Kompetenzen bzw. neuen Berufsbilder.

Digitale Souveränität und Ethik

Nicht zu vergessen! Digitalisierung und Ethik sind zwei Seiten einer Medaille. Georg Rainer Hoffmann formuliert in einem Essay zur digitalen Ethik zurecht: »Der digitale Wandel bringt neue Handlungsoptionen und damit auch neue ethische Fragen mit sich. Eine „Digitale Ethik“ ist von daher für die aktuelle Debatte evident« (Hoffmann 2020, S. 161 ff.). Für Ruter stellt die digitale Transformation ganz neue Herausforderungen an den ehrbaren Unternehmer. Er spricht ausdrücklich einen Ethik-Kodex für Künstliche Intelligenz oder das Internet der Dinge an. Auch die digitale Souveränität umfasst unternehmerische Pflichten zum Schutz der digitalen Souveränität von Verbrauchern und Arbeitnehmern (BMWi 2021, S. 13).

Zum Abschluss noch ein Tip von Rudolf Xaver Ruter aus seinem kurzweiligen Ratgeber (S. 138):

»Gehen Sie sorgsam, bescheiden und besonnen vor. Ich will es noch einmal deutlich wiederholen: ›In der Beirats- und Aufsichtsratscommunity bewegt sich insbesondere die ältere Bord Community äußerst ›scheu wie Rehe› und sie wollen grundsätzlich ›unsichtbar sein wie Eulen‹. Nur selten treten sie aus dem Dickicht heraus, um an Wasserlöchern Futter und Wasser in Form von Wissen und Informationen aufzunehmen. Junge, unerfahrene Jäger haben bei fehlender Geduld und entsprechender Lautstärke keinerlei Chancen auf einen Treffer. Rüpel, Wilderer oder gar Mountainbiker verjagen alles auf nimmer Wiedersehen.‹«

Literatur:

Arthur D. Little et eco-Verband, Künstliche Intelligenz: Potential und nachhaltige Veränderung der deutschen Wirtschaft, in: Brandes, Wolfram P. (Hrsg.), Digitale Heimat, 2017, S. 123 ff.
BMWi (Hrsg.), Positionspapier Industrie 4.0: Leitbild 2030 für Industrie 4.0 – Digitale Ökosysteme global gestalten, S. 2, Stand August 2019.
BMWi, Wirtschaft nachhaltig gestalten. Zweiter Ressortbericht Nachhaltigkeit des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie 2021, S. 24.
Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) Herausgeber, Schwerpunkt-studie Digitale Souveränität 2021, Bestandsaufnahmen und Handlungsfelder, 2021.
Bosse/Zink, Arbeit 4.0 im Mittelstand. In: Bosse/Zink Hrsg., Arbeit 4.0 im Mittelstand, 2019, S. 6.
Handelsblatt Research Institute, Eine Wachstumsstrategie für das digitale Zeitalter, Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, November 2017, S. 77.
Gesmann-Nuissl, Rechtliche Herausforderungen in der Arbeitswelt 4.0 im Mittel-stand anhand von zwei Beispielen. In: Bosse/Zink Hrsg., Arbeit 4.0 im Mittelstand, 2019, S. 35 ff.
Falkenberg, Lucia, Die schöne neue Welt der Arbeit, in: Brandes, Wolfram P. (Hrsg.), Digitale Heimat, 2020, S. 27 ff.
Gerybadze, Digitale Wirtschaft und Digitale Souveränität, in: Brandes, Wolfram P. (Hrsg.), Digitale Heimat, 2020, S. 244 ff.
Hoffmann, Rainer, Digitale Ethik, in: Brandes, Wolfram P. (Hrsg.), Digitale Heimat, 2020, S. 93 ff.
Pohlmann, Norbert, Ohne Cybersicherheit gelingt keine Digitale Heimat – Keine Heimat ohne Sicherheit, in: Brandes, Wolfram P. (Hrsg.), Digitale Heimat, 2020, S. 185 ff.
Plattform Industrie 4.0, Positionspapier: Leitbild 2030 für Industrie 4.0 – Digitale Ökosysteme global gestalten, Stand August 2019.
Schack, Axel, Expertenmeinung, in: Kantar/Bertelsmann Stiftung, Plattformarbeit in Deutschland - Freie und flexible Arbeit ohne soziale Sicherung, 2019, S. 49 ff.
Ders., Im Zeitalter der »DIGITAL LABOUR FORCE«, in: Brandes, Wolfram P. (Hrsg.), Digitale Heimat, 2020, S. 93 ff.
Ders., Surfen auf dem digitalen Tsunami, 2017.
Simon, Gerd, Digitale Nomaden, in: Brandes, Wolfram P. (Hrsg.), Digitale Heimat, 2020, S. 93 ff.
Wik: Diskussionsb. Nr. 475, Digitale Arbeitswelten im Mittelstand, Autoren: Christin-Isabel Gries, Martin Lundborg, Peter Stamm.
Zimmermann, Volker, KfWR Research Fokus Volkswirtschaft Nr. 352 vom 14. 10. 2021, S. 1.

 



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Der Weg in die digitale und nachhaltige Arbeitswelt am Beispiel des Homeoffice; zugleich Rezension von: Rechtsanwalt Dr. Stefan Müller, Homeoffice in der arbeitsrechtlichen Praxis, Rechtshandbuch für die Arbeit 4.0, 2. Auflage,
284 Seiten Nomos Verlag 2020 (ISBN 978-3-8487-7632-0)